Bundestagsabgeordnete informierten sich bei Alzchem über aktuelle Herausforderungen
Strompreis-Explosionen und drohendes EU-Verbot von Kalkstickstoff-Düngung gefährden Klimaschutz und europäische Eigenversorgung
Trostberg - Die SPD-Bundestagsabgeordneten Bernd Westphal und Carsten Träger haben Anfang August das Chemie-Unternehmen Alzchem in Trostberg zu einem Informationsaustausch mit Geschäftsführung und Betriebsrat besucht. Der wirtschaftspolitische sowie der umweltpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion informierten sich vor Ort über die aktuellen Herausforderungen des Unternehmens. Alzchem-CEO Andreas Niedermaier stellte zunächst die Produkte des Unternehmens sowie deren Märkte und Anwendungen vor: Die Produktpalette reicht von Carbid über Kalkstickstoff und Cyanamid bis hin zu zahlreichen Spezialchemikalien. Anwendungen finden die Alzchem-Produkte beispielsweise in Arzneimittelrohstoffen, Airbags, Rohstoffen für DNA Tests (Coronatests), Nahrungsergänzungsmitteln im Humanbereich (Creapure®), Stoffen für eine verbesserte Tierernährung (Creamino®).
Viele dieser Produkte beruhen auf dem Ausgangsprodukt Carbid und dem daraus hergestellten Kalkstickstoff mit seiner typischen Stickstoff-Kohlenstoff-Bindung. CEO Andreas Niedermaier erläuterte den Gästen: „Seit vielen Jahrzehnten hat sich die Alzchem auf dieses Feld der Chemie spezialisiert und ist heute in vielen Bereichen der einzige Hersteller dieser wichtigen Chemikalien außerhalb Chinas.“ Der Betriebsratsvorsitzende Karl Held wies auf die erfolgreiche Entwicklung der Firma in den letzten zehn Jahren hin: „Durch das konstruktive Zusammenwirken von Geschäftsleitung und Betriebsrat konnte der Umsatz in dieser Zeit mehr als verdoppelt und die Zahl der Mitarbeiter um mehr als ein Drittel auf ca. 1650 erhöht werden. Alzchem ist mit einer Ausbildungsquote von ca. 9 % und ca. 150 Auszubildenden ein wichtiger Ausbildungsbetrieb im Landkreis Traunstein.“
Bedroht wird diese positive Entwicklung von zwei aktuellen Herausforderungen. CEO Andreas Niedermaier: „Die Herstellung des Ausgangsproduktes Carbid ist äußerst stromintensiv. Der Industriestrompreis hat sich innerhalb des letzten Jahres vervielfacht.“ Aufgrund langfristiger Stromlieferverträge würden diese Kostensteigerungen für Alzchem bis jetzt nur teilweise wirksam. Das Unternehmen sei aber gezwungen, die absehbar weiter steigenden Stromkosten an die Kunden weiterzugeben. Niedermaier weiter: „Doch nicht nur die hohen Preise, sondern auch die Sicherheit der Stromversorgung und damit die zuverlässige Verfügbarkeit von Elektrizität sind für den Betrieb der Chemieanlagen immens wichtig.“
Eine weitere große Herausforderung ist für Alzchem die Chemikalien-Politik der EU. So wird dort gerade über ein Verbot der Kalkstickstoff-Düngung diskutiert, weil die Europäische Chemikalienbehörde darin Risiken für die Umwelt vermutet. Der Leiter Public Affairs bei Alzchem, Dr. Hans-Jürgen Klasse, kommentierte die Verbots-Debatte: „Das ist geradezu grotesk, denn im Vergleich zu anderen Stickstoffdüngern zeichnet sich Kalkstickstoff durch eine besonders geringe Nitratauswaschung und geringere Emissionen von Treibhausgasen aus. Kalkstickstoff ist eines der bestuntersuchten Düngemittel überhaupt. In knapp 114 Jahren Anwendungspraxis hat es keinen einzigen bestätigten Fall einer Umweltschädigung gegeben.“ Im Gegenteil, in einem mehr als 50 Jahre dauernden Düngungsversuch hätten Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) auf den Kalkstickstoff-Parzellen sogar „die höchste biologische Bodenaktivität aller Düngungsvarianten nachgewiesen“.
CEO Andreas Niedermaier äußerte sein Unverständnis über das Vorgehen der EU-Behörde auch mit Blick auf die von der EU als Ganzes angestrebte größere Unabhängigkeit von China. Diesem Ziel hätten sich auch die Bundesregierung und eine große Mehrheit im Bundestag verschrieben. „Ein Verbot der Kalkstickstoff-Düngung in der EU würde den Produktionsverbund in Trostberg gefährden und bei wichtigen Vorprodukten die Abhängigkeit von China weiter vergrößern. Das kann in heutiger Zeit niemand wollen.“
Ein Verbot dieses bewährten Düngemittels hätte auch für den Klimaschutz in Europa negative Auswirkungen. Denn mit einem auf Kalkstickstoff basierenden, neu entwickelten Alzchem-Produkt (Eminex®) lassen sich die besonders klimaschädigenden Emissionen von Methan und Lachgas aus Güllesilos bereits durch die Zugabe kleiner Mengen weitgehend verhindern. Die gute Wirksamkeit wurde inzwischen von mehreren unabhängigen Instituten bestätigt. CEO Andreas Niedermaier: „Uns ist kein anderes Verfahren bekannt, das so schnell, so effektiv und so kostengünstig die Treibhausgas-Emissionen der Landwirtschaft senken kann.“ Carsten Träger sagte: „Mit dem Beitrag zur Ernährungssicherheit und zum Klimaschutz durch die Bindung von Methan hat Alzchem zwei hohe Trümpfe in der Hand. Nun muss es im Verfahren gelingen, die Prüfer von der Ungefährlichkeit des Eintrags von Kalkstickstoff für Mikroorganismen zu überzeugen.“
Die Abgeordneten zeigten sich von den vielfältigen Produktentwicklungen der Alzchem beeindruckt. „Die Bedeutung dieser Spezialchemikalien für viele Lieferketten in der deutschen und europäischen Industrie ist in der Politik bisher noch nicht ausreichend bekannt.“, meinte Bernd Westphal nach dem Informationsaustausch. Es könne doch nicht sein, dass aufgrund eines fragwürdigen Gutachtens eine Vielzahl gut bezahlter und sozial bestens abgesicherter Arbeitsplätze in Deutschland aufs Spiel gesetzt würde und man sich gleichzeitig bei wichtigen Spezialchemikalien in eine vollständige Abhängigkeit von chinesischen Lieferanten begebe.